Skip to main content
Landgericht Bielefeld

TECHNIK

Der roten Faden für den Gerüstbau

Die Arbeitsvorbereitung: einer der wichtigsten Arbeitsprozesse bei der Auftragsabwicklung im Gerüstbau.

Im Gerüstbau bezieht sich die Arbeitsvorbereitung auf die spezifischen Maßnahmen, die ergriffen werden, um den Aufbau von Gerüsten effizient und sicher zu gestalten. Dazu gehören die Planung der Gerüstkonstruktion, die Auswahl der geeigneten Materialien und Werkzeuge, die Berechnung der benötigten Gerüstteile und die Erstellung von Montageplänen.

In der Arbeitsvorbereitung werden Entscheidungen bei der Planung, der Bauart oder der Systemauswahl getroffen, die direkten Einfluss auf alle nachfolgenden Arbeitsprozesse wie z. B. Materialtransport oder Ladelogistik etc. haben.

Die Arbeitsvorbereitung fängt dabei direkt bei der Kalkulation bzw. der Aufmaß-Erstellung an. Diese wurde bzw. wird oft manuell durchgeführt, was je nach Objektgröße zeitaufwendig und leider auch oft fehleranfällig ist bzw. war, da z. B. höhere Bereiche ohne Hilfsmittel gar nicht erreicht oder eingesehen werden können und daher früher oft nur geschätzt wurden.

Nimmt man beispielsweise ein Hochhaus mit Innenecken und Balkonanlagen oder eine Kirche mit Kirchenschiff, Lisänen und Vorsprüngen, für die es keine oder nur unzureichende Bestandspläne mehr gibt, ist hier eine genaue „Planung“ bzw. Umsetzung im konventionellen Sinne erst bei der Montage möglich. Durch die fortschreitende Technik setzt sich heutzutage immer öfter das digitale Aufmaß durch, was nicht zu verwechseln ist mit der Nutzung von digitaler Messtechnik für ein manuelles Aufmaß z. B. mit einem Lasermessgerät oder einer AR-Handy App. (AR = Augmented Reality = erweiterte Realität durch die Integration von digitalen Informationen in die Umgebung). Unter einem digitalen Aufmaß versteht man die dreidimensionale (3D) Erfassung aller Abmessungen eines Gebäudes, eines Raumes oder eines Objekts mittels digitaler Werkzeuge, die anstelle von Maßband, Zollstock oder Lasermessgerät verwendet werden. Oft spricht man von einem 3D-Scan des Bestandbauwerkes.
Dies kann auf verschiedene Arten erfolgen. Die gängigsten Varianten sind aktuell die Photogrammetrie (= Bildmessung) oder der 3D-Lasercan.

Photogrammetrie (Fotogrammmetrie)
Unter Photogrammetrie versteht man das berührungslose Messen mit Bildern, die mit einer Vielzahl von Geräten z. B. Drohnen, Handkameras usw. erstellt werden können. Deren Inhalte werden unter Anwendung von verschiedenen Messmethoden und Auswertungsverfahren genutzt, um möglichst genaue 2D- oder 3D-Modelle eines Bestandsbauwerkes zu erzeugen, um einen Einrüstungsplan zur Durchführung von Sanierungsarbeiten erstellen zu können.

3D-Laserscan
Das terrestrische Laserscanning (TLS) ist ein 3D-Verfahren im Bereich der Vermessung, welches die berührungslose, hochgenaue und vollständige Aufnahme komplexer Bestandsbauwerke ermöglicht, um möglichst genaue 3D-Modelle eines Bestandsbauwerkes zu erzeugen. Damit kann z. B. ein Einrüstungsplan zur Durchführung von Sanierungsarbeiten erstellt werden.

Am Beispiel der Multihalle Mannheim sollen die Möglichkeiten und Vorteile des digitalen Aufmaßes und der daraus resultierenden Bearbeitungsmöglichkeiten verdeutlicht werden.

Die Darstellungen lassen eine außergewöhnliche Bauwerksstruktur der Multihalle Mannheim erkennen, welche die Bilder auf der Internetseite verdeutlichen (www.mannheim-multihalle.de).

Die komplexe und sich stetig verändernde Geometrie der Bauwerksstruktur führte zu einem digitalen Aufmaß, das die Grundlage für die Arbeitsvorbereitung der verschiedenen Gewerke, unter anderem des Gerüstbauhandwerks, darstellt.

In den Abbildungen kann man neben der netzartigen dargestellten Struktur des Holzdaches auch die Zugänge, Tribünen, Überbrückungen, Treppen, Innenausbauten etc. der Multihalle Mannheim in Form und Lage sehen.

Durch das digitale Aufmaß konnten alle für die Erstellung eines Einrüstungsplans notwendigen Abmessungen des Bestandbauwerkes erfasst werden, die die Grundlage für den gezeigten Einrüstungsvorschlag darstellen.

Wie in den Abbildungen zu erkennen ist, konnten durch das digitale Aufmaß alle örtlichen Begebenheiten wie Höhen, Höhenunterschiede, freizuhaltende Flächen, nicht belastbare Flächen, Zugänge, Durchgänge etc. direkt bei der Erstellung des Stellplanes bzw. Einrüstungsvorschlags unter Abstimmung mit dem Auftraggeber und aller Objektbeteilgten vor Montagebeginn durchgeführt werden. Im Bereich der Vorplanung konnten Verkehrswege, Lagerflächen und Detailpunkte visualisiert und mit allen Mitwirkenden vor Montagebeginn in Größe, Position und Lage abgestimmt werden.

Dazu gehört z. B. die Visualisierung der rot gekennzeichneten Verkehrswege oder der gelb gekennzeichneten Lagerflächen als auch die Lage und Anzahl der nach TRBS 2121 notwendigen Podesttreppenaufgänge (grün dargestellt) innerhalb der Gerüstkonstruktion etc.

Gleichzeitig konnten Öffnungen für die notwendige Materiallogistik oder auch Zusatzgerüste im Rahmen der Vorplanung berücksichtigt werden.

Bei dieser Art von Vorplanung und Visualisierung der notwendigen Gerüstkonstruktion ist unter Verwendung geeigneter Branchensoftware ein wesentlicher Teil der Arbeitsvorbereitung mit der Darstellung der Gerüstkonstruktion praktisch gleichzeitig fertiggestellt. Das bedeutet, die eingesetzte Software ist in der Lage, die Stückliste, das Transportgewicht und sogar die Vorkalkulation der Gerüstkonstruktion zu ermitteln und für den Gerüstaufsteller auszugeben. Selbst der „Abgleich“ mit dem aktuellem Lagerbestand ist bei der Software vorgesehen, vorausgesetzt, dass die sogenannten Stammdaten eingegeben und auch diese Prozesse im Unternehmen bereits digitalisiert sind.

Das Beispiel zeigt, dass alle wesentlichen Bereiche der Arbeitsvorbereitung, d. h. Aufmaß, Materialauswahl, Stellplan, Ladelogistik, Materiallogistik, Personalausstattung, technisches Hilfsgerät, Montageplanung und Montagereihenfolge als auch die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften sowie die Auswahl von geeignetem Personal grundsätzlich gleich bleiben, aber je nach Digitalisierungsgrad zusammengefasst und/oder vereinfacht werden können.

Es ergibt sich dabei ein „roter Faden“ für die Auftragsabwicklung, der sowohl für den Gerüstaufsteller innerbetrieblich als auch in der Kommunikation mit Kund*innen hilfreich sein kann und sowohl Effektivität als auch Produktivität bei der Erstellung von temporären Gerüstkonstruktionen deutlich erhöhen kann. Gleichzeitig können Schnittstellenproblematiken mit anderen Gewerken durch die räumliche Darstellung vor der Montage erkannt, besprochen bzw. behoben werden, ohne dass es zu Zwangspausen während der Bauabwicklung bzw. der Arbeitsvorbereitung kommt – Stichwort: digitale Vorbereitung für Building Information Modeling = BIM.

Autor: Dipl.-Ing. Heiko Tomshöfer

(Bildquellen: Fast+Epp Beratende Ingenieure, Darmstadt und Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum)


Dieser Artikel ist erschienen im:

Der Gerüstbauer

  • Erscheinungsweise

    6 x pro Jahr

  • Laufzeit

    12 Monate

  • Preis
    inkl. MwSt. zzgl. Versand
    35.70 €