
Abb. 1: Dachdeckerfangschutz mit Schutznetzen, Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner
TECHNIK
Verkleidungsvielzahl
Unterschiedliche Gerüstbekleidungen – Auszug der Möglichkeiten
Im Allgemeinen werden Gerüstkonstruktionen unverkleidet ausgeführt und haben unter anderem den Zweck, als Arbeitsplatz, Höhenzugang oder Traggerüst zu funktionieren. Immer öfter allerdings werden Gerüstkonstruktionen zusätzlich als Wetterschutz, Emissionsschutz oder auch als Lärmschutzeinhausung gebraucht, um eine Baumaßnahme bzw. Instandsetzung überhaupt umsetzen zu können.
Ergänzend zu dem Standardregelwerk für Arbeitsgerüste, der DIN EN 12811, gibt es weitere Vorschriften wie z. B. die DIN EN 16508 Temporäre Wetterschutzdächer bzw. Wetterschutzeinhausungen oder die DIN 4420-1 Schutzgerüste etc., die von zahlreichen DGUV-Vorschriften und DGUV-Informationen wie z. B. die DGUV Information 201-011 oder den Fachregeln Nr. 1-4 für Gerüstbau ergänzt werden.
In den jeweiligen Vorschriften und Regelwerken werden die zugehörigen Gerüstkonstruktionen als solches eingestuft, woraus sich wiederum die einzuhaltenden Leistungsanforderungen und Bemessungsverfahren der notwendigen bzw. geplanten Gerüstkonstruktion ergeben. Die mögliche Vielfalt der Gerüstkonstruktionen zeigt, dass ein Gerüst mittlerweile nicht einfach „nur“ ein Gerüst sein kann, sondern auch je nach Einsatzbereich, Einstufung und Leistungsanforderung einen komplexen temporären „Kunstbau“ in Gerüstbauweise darstellt. Ein wichtiges Leistungsmerkmal dabei ist die optionale Gerüstverkleidung, die je nach Art der Verkleidung einen erheblichen Einfluss auf die ausführbare bzw. auszuführende Gerüstkonstruktion haben kann:
- Wahl des Gerüstsystems (z. B. Rahmengerüst/Modulgerüst etc.)
- Wahl des eingesetzten Materials (z. B. Alu/Stahl etc.)
- Größe der Feldweiten (je größer die Felder, desto stärker die horizontale und vertikale Belastung)
- Notwendige Aussteifung und Ankerung der Gerüstkonstruktion
- Anschluss bzw. Anschlussmöglichkeit der optionalen Verkleidung am Gerüst usw.
Dabei kann die Verkleidung von Gerüstkonstruktionen aus vollkommen unterschiedlichen Materialien bestehen, wobei sich die Materialauswahl in der Regel an der jeweiliger Leistungsanforderung der Gerüstkonstruktion orientiert.
Gerüstbekleidung Variante 1: Netze
Netze gibt es in unterschiedlicher Dichte (Maschenweite) und Stabilität, so kann ein Netz z. B. eingesetzt werden als Dachdeckerfangnetz um gegebenenfalls Abstürze zu verhindern (Abb. 1).
Ein Netz kann aber auch als seitliche Abgrenzung des Arbeitsraumes z. B. im Bereich eines Gehweges als Schutz von Passanten gegen herabfallende Gegenstände etc. eingesetzt werden (Abb. 2).

Besonders feste und engmaschige Netze werden als Staubschutznetze oder bei Sandstrahlarbeiten eingesetzt, um den Arbeitsraum vom übrigen Umgebungsbereich abzugrenzen und umlaufende Gewerke oder Personen vor Staubemissionen zu schützen.
Bei Sandstrahlnetzen kommt es auch oft zu einem kombinierten Aufbau der Gerüstverkleidung aus „Sandstrahlnetzen“ im Bereich des Arbeitsraumes, die überlagert werden durch z. B. Gerüstplane, um Staubemissionen zu vermeiden und Witterungseinflüsse so gut als möglich auszuschließen.
Es gibt auch Netze, die bedruckt werden können, um zum einen den Baustellenbereich abzugrenzen und zum anderen das abgenetzte Gerüst als Werbefläche zu nutzen (Abb. 3).

Gerüstbekleidung Variante 2: Plane
Planen-Verkleidungen im Gerüstbau gibt es ebenfalls in vollkommen unterschiedlichen Ausführungen; sie stellen ein ausgesprochen vielseitiges und komplexes Thema dar. Für fast jeden Einsatzfall gibt es verschiedene Planenarten, die sich in Material, Reißfestigkeit, UV-Beständigkeit, Brennverhalten und Flächengewicht etc. unterscheiden.
Standard-Gerüstschutzplanen
Die „normale“ Gerüstplane bietet Schutz vor beispielsweise ungünstigen Witterungsverhältnissen und erhöht unter anderem durch den Einsatz der Plane die Sicherheit und den Komfort bei der Arbeit auf dem Gerüst.
TECHNISCHE DATEN Standard-Gerüstplane (Beispiel):
- Gewicht: 150 g
- Maschendurchmesser: 15 mm
- Horizontaler Abstand zwischen den Löchern: 78,5 mm
- Vertikaler Abstand zwischen den Löchern: 55 mm
- Breite der Bewehrung: 120 mm
- Zugfestigkeit: 370 N/5 cm
- Reißfestigkeit: 85 N
- Temperaturbeständigkeit: -40 /+80°C
- Lichtdurchlässigkeit: 73 %
- Toleranz der Abmessungen: +/- 2 %
- Befestigung: 180 g/m² Gurt mit 15 mm Löchern
- Alle 10 cm angeordnete Löcher
- Maschenstärke: 400 N
Je nach Ausführung der Gerüstplane wird die Möglichkeit geschaffen, den Arbeitsbereich abzugrenzen, um eine Bearbeitung z. B. bei Regenwetter durch den Gerüstbenutzer überhaupt möglich zu machen (Abb. 4).

Die Leistungsanforderungen an die Plane und die daraus resultierenden notwendigen Eigenschaften der Plane führen also zu vollkommen unterschiedlichen Planenvarianten bzw. Planenarten. Eine im Gerüstbau häufig eingesetzte Planenart über den Einsatzzweck der Standard-Gerüstplane hinaus sind die PE- oder PVC-Planen. Je nach Einsatzbereich und Einsatzdauer kann bzw. sollte das entsprechende Planenmaterial ausgewählt werden, so sind z. B. PE-Planen flexibler, leichter und kostengünstiger als PVC-Planen, dafür sind PE-Planen zwar witterungsbeständiger und reißfester als Standard-Gerüstplanen, aber auch weniger witterungsbeständig und reißfester als PVC-Planen, was die PE-Plane eher für kurzfristige Einsatzzeiten qualifiziert.
Beim Einsatz von PVC-Planen erhöht sich je nach Ausführung, Flächengewicht und Reißfestigkeit der ausgewählten PVC-Plane die Witterungsbeständigkeit deutlich, so dass die PVC-Plane einen temporären Einsatzzeitraum von 5 bis 10 Jahren zulässt.
PVC-Planen können dabei komplett wasserdicht sein, wobei die chemische Beschichtung mit PVC die PVC-Plane gleichzeitig resistent gegen Schimmel macht, der durch zu viel Feuchtigkeit entstehen kann.
Oft sind PVC-Planen mit einer speziellen UV-Schutzschicht ausgestattet, so dass Verfärbungen, Rissbildungen oder eine UV-indizierte Verminderung der Festigkeit („Alterung“ des Planenmaterials) verhindert bzw. verlangsamt wird.
Als Orientierungshilfe für die „Planenfestigkeit“ kann die Planendicke und damit verbunden das Flächengewicht herangezogen werden. Im Allgemeinen gilt, je dicker das PVC-Trägergewebe und die Beschichtung mit PVC, desto robuster wird die Abdeckplane.
PVC-Planen haben dabei meistens ein Gewicht zwischen 500 bis 950 g/m2. Das Material kann dabei Höchstzugkräfte bis zu 3.500 Newton auf 5 cm Fläche erreichen, was dazu führt, dass die PVC-Plane auch bei Starkwind oder Sturm nicht reißt und somit den Anspruch auf die Gerüstkonstruktion, die Gerüstverankerung und den Ankergrund deutlich erhöht.
PVC-Plane ist zwischen den Temperaturen -30 °C und +70 °C temperaturbeständig; das bedeutet, der Festigkeitsverlust bei Minusgraden ist relativ gering und die PVC-Plane behält in der Regel in diesen Temperaturbereichen eine ausreichende Reißfestigkeit, was die möglichen Einsatzgebiete bzw. Einsatzzeiträume entsprechend erweitert.
Es gibt PE-Planen als lichtdurchlässigen Witterungsschutz, der sowohl als Wandplane zum Schutz von Fassaden als auch für die Bekleidung von Wetterschutzdächern eingesetzt werden kann.
Gerüstplanen können aber auch andere Eigenschaften besitzen. Die Plane kann z. B. aus schwer entflammbarem Material hergestellt sein, um die Brandsicherheit zu erhöhen. Alternativ gibt es Säure- oder Laugen-beständige Planen oder auch Planen mit speziellen Luftpolstern, die eine beachtliche Dämmwirkung erzielen, um z. B. einen Montagebereich im Winter zu beheizen.
Es gibt auch Planen, die für temporären Lärmschutz geeignet sind oder mit speziellen Aufdrucken für Werbung und/oder Kunst genutzt werden. Kurzum: Planen können für sehr viele Anforderungen und somit Einsatzbereiche hergestellt und konfektioniert werden.
Technische Daten einer „schweren“ PVC-Plane (Beispiel):
- beidseitig mit PVC beschichtetes Polyestergewebe
- Flächengewicht 900 g/m²
- Rollenbreite i.d.R. 3,00 m
- rundum gesäumt und mit Ösen (Stahl/verzinkt,
Innen-Ø 12 mm) - Ösenabstand ca. 50 cm
- glänzend
- formstabil und nicht dehnbar
- UV-stabilisiert
- wasserdicht und luftundurchlässig
- Reißfestigkeit Kette / Schuss 4.300 N / 4.000 N/5 cm (EN ISO 1421/V1)
- Weiterreißkraft Kette / Schuss 400 / 400 N (DIN 53363)
- Haftfestigkeit 100 N/5 cm
- temperaturbeständig von -40 °C bis +70 °C
(DIN EN 1876/1) - Brennverhalten <100 mm/min (ISO 3795)
- in verschiedenen Farben erhältlich
Dazu gibt es unzählige Sonderformen der PVC-Plane. Eine davon ist die im Gerüstbau etablierte sogenannte Kederplane, die vorkonfektioniert erhältlich ist und sich durch beidseitige Kedersäume kennzeichnet. Die Kedersäume werden dabei in eine am Gerüst montierte sogenannte Kederschiene eingezogen, was wiederum eine sichere Verbindung der Plane mit dem Gerüst zur Folge hat (Abb. 5 und Abb. 6).


Gerüstbekleidung Variante 3: Systemfreie feste Verkleidungen aus Holz und Trapezblech
Eine feste systemfreie Gerüstverkleidung kann z. B. aus Kanthölzern, Kantholzkupplungen und Trapezblechen bestehen (Abb. 7), was den Vorteil hat, dass die Verkleidung den örtlichen Begebenheiten angepasst werden kann und gleichzeitig den Nachteil hat, dass der handwerkliche Aufwand vor Ort sich deutlich erhöht. Bei systemfreien festen Verkleidungen können Material, Materialeigenschaften oder die Anbindung an das Gerüst frei aber bitte fach- und sachgerecht vom Gerüstaufsteller in Abstimmung mit dem Auftraggeber gewählt werden.

Gerüstbekleidung Variante 4: Systembezogene feste Verkleidungen
Eine feste Verkleidung der Gerüstkonstruktion kann auch aus vom Gerüsthersteller vorkonfektionierten Kassettenelementen oder Holzbauteilen bestehen, die auf stabile Hartplastik-, Metall- oder Holzträger aufgesetzt werden. Die Kassettenelemente können dabei unterschiedliche Leistungsmerkmale aufweisen:
- Lichtdurchlässigkeit
- schlag- und stoßfeste Ausführung
- Sichtschutz
- Zugangsschutz
- kontrollierter Zugang durch z. B. eine vorkonfektionierte im System integrierte Zugangstür
- Schallisolierung
- Wärmeschutz durch integriertes Dämmmaterial usw.
Eingesetzt werden diese Kassettenelemente oft an stark exponierten Orten, bei denen z. B. die Optik eine große Rolle spielt oder dort, wo ein erhöhter Vandalismusschutz erforderlich ist (Fluchttreppen in Gerüstbauweise, Abb. 8).

Hier gibt es wiederum unzählige Möglichkeiten, die zeigen, dass eine Gerüstbekleidung von den an die Gerüstbekleidung gestellten Anforderungen und Umgebungsbedingen abhängt. Gleichzeitig zeigt es, dass sich der Einsatzbereich von temporären Gerüstkonstruktionen von einem „einfachen“ Arbeitsgerüst über die temporäre Fluchttreppe in Gerüstbauweise oder der temporären Lagerhalle in Gerüstbauweise und vielen weiteren Bauarten bzw. Bauvarianten erstreckt, um z. B. mit einer geeigneten Gerüstbekleidung den Anforderungen des Marktes zu entsprechen.
Autor: Dipl.-Ing. Heiko Tomshöfer
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Der Gerüstbauer
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