TECHNIK
Multi-Funktionale Gerüstkonstruktion
Raumgerüste als Schwerlastgerüste in Modulbauweise
In einer Zeit, in der technischer Fortschritt und der damit verbundene Wandel immer schneller werden, ergibt sich oft die Notwendigkeit von multifunktionalen Kunstbauten mit temporärem Charakter, die immer öfter durch Gerüstkonstruktionen dargestellt werden.
Betrachtet man z. B. die Weiterentwicklung im Bereich von Bildgebungsverfahren im Gesundheitsbereich, so hat sich hier die Bildqualität erheblich verbessert, was wiederum oft den Austausch z. B. eines MRT-Gerätes bei einer bestehenden Praxis mit sich bringt.
MRT = Magnetresonanztomographie:
Die Magnetresonanztomographie, abgekürzt MRT oder MR, ist ein bildgebendes Verfahren, das vor allem in der medizinischen Diagnostik zur Darstellung von Struktur und Funktion der Gewebe und Organe im Körper eingesetzt wird. So ein MRT-Gerät hat schnell ein Eigengewicht von 4,0 bis 6,0 to und wird oft durch eine bauseitig zu öffnende Außenwand in ein Bestandsbauwerk eingebracht.
Um einen solchen Geräte-Austausch dann auch tatsächlich zu realisieren, wird oft ein Absetzpodest benötigt, auf das z. B. ein Autokran eine Maschine einhebt und von dem aus dann die Maschine in das Bestandsbauwerk zur Installation und Inbetriebnahme „eingeschoben“ werden kann. Dieses Absetzpodest wiederum hat fast immer einen temporären Charakter und kann daher „schnell“ und „einfach“ in Gerüstbauweise erstellt werden (Abb. 1).
Die Aufgabenstellung kann bei der in Abb. 1 bis Abb. 3 dargestellten Gerüstkonstruktion wie folgt lauten: Gerüstkonstruktion zur Aufnahme eines 6,0 to schweren MRT-Gerätes mit einer Grundfläche des Gerätes ca. 2,0 m x 2,50 m.
Einheben der Maschine mit bauseitigem Autokran und Einbringung der Maschine von Hand mit mechanischer Unterstützung (z. B. Winde) auf bauseitiger Transportplatte (z. B. Stahlplatte) und Lastableitung in das Gerüst über vier Kontaktstellen (z. B. Schwerlastrollen), Ankerung am Bestandsbauwerk im Bereich der Betondecken möglich.
Die Fachleute der Rolf Brückner GmbH aus Ahlen haben sich dieser Aufgaben gestellt und in Abstimmung mit allen Beteiligten folgende Einstufung der Gerüstkonstruktion festgelegt bzw. vereinbart:
Da die Gerüstkonstruktion bei der Öffnung der Außenwand als auch bei der Einbringung als Arbeitsraum erforderlich ist, wurde die Konstruktion in der ersten Bauphase als Arbeitsgerüst nach DIN EN 12811 in Lastklasse 4 eingestuft (Maurer- und Stemmarbeiten). Der Zugang auf das Gerüst erfolgt von außen entsprechend TRBS 2121 über die angeschlossene Podesttreppe (Abb. 1).
In der zweiten Bauphase wird über den Kran das MRT-Gerät eingehoben, was dazu führt, das nach DIN EN 12811 über den Kranfaktor die Vertikallast um 20 % erhöht werden muss, um z. B. ein „schnelles“ oder sagen wir „robustes“ Aufsetzen der Maschine durch den Kran zu berücksichtigen.
In dem Moment, in dem die Maschine aufgesetzt wird, ist das Gerüst allerdings ein Traggerüst, was wiederum dazu führt, dass man die DIN EN 12812 berücksichtigen muss, um den notwendigen Standsicherheitsnachweis in Bezug auf Tragfähigkeit und horizontaler Stabilisierung zu führen.
Wir haben also je nach Bauphase ein Arbeitsgerüst bzw. ein Traggerüst bzw. beides in dem Moment, in dem die Maschine abgesetzt und von „Hand“ eingeschoben wird.
Beide Normen sind in Bezug auf die notwendigen Tragsicherheitsnachweise zu betrachten bzw. zu berücksichtigen und führen dazu, dass je nach Einstufung eine Vertikallast von z. B.
Vd = 1,5 x 1,2 x 60,0 kN = 108,0 kN und eine Horizontallast Hd aus Imperfektionen + Wind + horizontale Ersatzlast etc. vom Gerüst bzw. von der Belagebene aufzunehmen sind.
Bei der angesetzten Vertikallast ist schnell klar, dass diese verteilt werden sollte. Baut man das Gerüst so, dass sich die Vertikallast auf 3 bis 4 Vertikalstiele verteilen kann, stellt die dann resultierende Vertikalstiellast kein Problem für die Gerüstkonstruktion mehr dar (z. B. Vd = 108,0 kN / 4 Vertikalstiele = V1d-V4d = 27,0 kN).
Die Horizontallast kann z. B. über V-Anker direkt an der Belagebene in das Bauwerk abgeleitet werden und schon hat der Gerüstaufsteller eine Planungs- bzw. Kalkulationsgrundlage. Dabei ist der Aufwand für den Bodenaufbau wichtig, da dieser zuerst die Lasten aufnehmen und weiterleiten bzw. verteilen muss.
Zur Erinnerung: die Aufgabenstellung lautet, die Last wird über 4 Kontaktstellen in das Gerüst eingeleitet.
Das bedeutet, die Vertikallast Vd = 108 kN verteilt sich auf vier Kontaktstellen, so dass in unserem Beispiel eine Einzellast von V1-4d = 0,25 x 108,0 kN = 27,0 kN von dem Bodenbelag aufgenommen und über die Belagriegel in die Vertikalstiele verteilt werden muss. Es wird also nicht wie sonst üblich eine Flächenlast auf den Bodenbelag aufgebracht, sondern eine Einzellast, die deutlich höher ist als alles, was die Lastklassen und somit die Lastansätze der DIN EN 12811 zulassen.
Um die auftretenden Lasten nun über den Bodenbelag in die übrige Gerüstkonstruktion zu leiten, ist eine entsprechende flächige Lastverteilung notwendig, damit Funktion und Tragfähigkeit gewährleistet werden. Dabei ist zu beachten, dass die Belagriegel hier auch deutlich höher belastet werden als im Standardgerüstbau, da die Maschine ja auf dem Gerüst verschoben wird. Es kann also problemlos sein, dass eine Verschubrolle beim Einschieben mittig über den Belagriegel läuft und somit die Last praktisch als Einzellast eingeleitet wird.
Hier ist die gewählte Feldweite = Spannweite des Belagriegels entscheidend, da mit der Länge des Belagriegels sich das aufzunehmende Biegemoment deutlich erhöht und es so ganz schnell zu einer Überlastung des Belagriegels kommen kann.
Vor der Planung sollte schon klar sein, welche Grundfläche/Kontaktfläche das MRT-Gerät hat, um konstruktiv eine passende Feldeinteilung zu wählen, damit einer Überlastungssituation des Belagriegels konstruktiv soweit möglich entgegengewirkt werden kann.
Wenn die Feldlängen auf die Grundfläche des MRT-Gerätes abgestimmt sind, ist eine ungünstige mittige Belastung des Belagriegels bereits konstruktiv soweit möglich ausgeschlossen.
In unserem Beispiel hat das MRT-Gerät eine Grundfläche von 2,0 m x 2,50 m. Dazu passt die gewählte Feldeinteilung von 2 x 1,09 m = 2,18 m, was dazu führt, dass die Last praktisch direkt neben dem Vertikalstiel eingeleitet wird und so der Belagriegel deutlich günstiger belastet wird.
Bei dem Bodenaufbau ist auf der Oberseite auf eine statisch nachzuweisende Lastverteilung zu achten, die es möglich macht, die aufzunehmenden Lasten so zu verteilen, dass alle Systembauteile auch eine ausreichende Tragfähigkeit haben bzw. in der Lage sind, die Lasten zu verteilen bzw. aufzunehmen.
Durch die Bohlenlage Nr. 1 und Bohlenlage Nr. 2, die kreuzweise aufgelegt werden, wird aus der über der Verschubrolle eingeleiteten Einzellast eine Flächenlast, die nun über die gewählten Systembeläge mit der schachbrettartigen Verlegung in die umliegenden Belagriegel bzw. Vertikalstiele eingeleitet bzw. abgeleitet werden kann. Durch diese Bauweise zeigt sich, dass die erste Einschätzung richtig war.
Die Lastaufnahme der Vertikallast von Vd = 108 kN über den lastverteilenden Bodenbelag in n = 4 aktivierte Vertikalstiele stellt für das Gerüst mit einer Einzellast von V1-4d = 0,25 x 108,0 kN = 27,0 kN (ohne Horizontallastanteile) kein Problem mehr dar, da die meisten Modulstiele bei entsprechender Knicklänge bzw. Aussteifung eine Vertikallast von Vd = ca. 38,0 kN bis 43,0 kN aufnehmen können. Dabei ist es besonders wichtig, dass die horizontale Stabilisierung im Lasteinleitungsbereich (z. B. durch V-Anker) in alle Richtungen vorhanden ist und auch wirklich in der Lage ist, die Lasten aufzunehmen.
Wenn man so ein MRT-Gerät einschiebt, entstehen zwangsweise Horizontallasten, die ohne Windlasten schnell in einer Größenordnung von 4,0 kN bis 8,0 kN liegen, die auch wirklich da sind und von der Gerüstkonstruktion aufgenommen bzw. in das Bestandsbauwerk abgeleitet werden müssen. Das gleiche gilt für die Gründung. Die Vertikallast ist spätestens dann im Gerüststiel, wenn die Verschubrolle über dem Vertikalstiel steht. Eine entsprechend auf die jeweilige Gründungssituation abgestimmte Lastverteilung sollte dann selbstverständlich und auch statisch nachgewiesen sein.
Wichtig ist hier: Die Last kommt und alle Bauteile bzw. Baugruppen müssen dann in der Lage sein, die Last aufzunehmen.
Autor: Dipl.-Ing. Heiko Tomshöfer
(Bildquelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum)
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