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TECHNIK

Herausfordernde Gerüstkonstruktion

Teilweise freistehende Einrüstung von Förderturmschächten mit Verplanung

Fördertürme im Ruhrgebiet sind nicht nur architektonische Symbole des Bergbaus, sie repräsentieren auch die Industrialisierung, den Strukturwandel und die soziale Prägung der Region. Heute sind Fördertürme in erster Linie Industriedenkmäler, die die Vergangenheit und Gegenwart repräsentieren, und damit die Transformation unter anderem des Ruhrgebietes in eine moderne Region darstellen, die ihre industrielle Vergangenheit bewahrt und sich für die Zukunft aufstellt.

Fördertürme wurden als Industriebauwerke zu ihrer Zeit oft aus Stahl ohne besonderen Korrosionsschutz als Nutzbauwerke hergestellt. Das hat im Zuge der Zeit und den damit verbundenen Witterungseinflüssen auf die Stahlstrukturen zu einem erhöhten Aufwand in Bezug auf die Erhaltung und Pflege der Industriedenkmäler geführt. Da Fördertürme in erster Linie funktional gestaltet wurden, sind diese so schmal wie möglich und dabei so hoch wie nötig.

Vorder- und Seitenansicht Schacht Grillo Zeche Monopol Kamen, Quelle: Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Dortmund

Um an diesen Bauwerken die notwendigen Instandsetzungs- bzw. Sanierungsarbeiten durchführen zu können, sind in der Regel umlaufende bzw. das Bauwerk durchdringende Gerüstkonstruktionen notwendig, damit alle Stellen des Schachtgerüstes für die Bearbeitung erreicht werden können.

Hinzu kommt, dass infolge der notwendigen Korrosionsschutzarbeiten oft eine umlaufende Verplanung erforderlich ist, um z. B. Reinigungs- und/oder Strahlarbeiten als auch Beschichtungs- und/oder Reperaturarbeiten bauseitig durchführen zu können.

Wie man der Bauwerksstruktur entnehmen kann, gibt es große Bereiche, in denen es keinerlei Möglichkeit gibt, ein Gerüst horizontal zu ankern. Es muss also bei bauseitig oft geforderter voller Verplanung freistehend ausgebildet werden.

Die Bauwerkshöhe von ca. 53,81 m kombiniert mit einer Aufstellbreite des Förderturmes von 26,0 m bzw. 30,50 m und einer geforderten vollen Verplanung stellt allein durch das Eigengewicht bei zulässiger horizontaler Ankerung schon eine enorme Herausforderung für die notwendige Gerüstkonstruktion dar, da zur Durchführung der bauseitigen Arbeiten bzw. für die Zugänglichkeit der Montagestellen oft fast alle Lagen eingedeckt werden müssen.

Wenn das Gerüst aber infolge der geschädigten Bauwerksstruktur gar nicht oder nur in Teilen horizontal geankert werden kann oder es große Gerüstbereiche ohne Ankermöglichkeit gibt, erhöhen sich die Anforderungen an das Gerüst sehr deutlich. Dieser Herausforderung hat sich die Firma Cieslik aus Dortmund mit Ihren Fachbauleitern gestellt und verschiedene Lösungsansätze zur Umsetzung mit dem Bauherrn abgestimmt:

Ein möglicher Lösungsansatz, um die Windlasten und somit die Belastung für das Gerüst zu reduzieren, war eine Teilverkleidung, welche mit dem Baufortschritt nach unten „wandert“.

Isometrische Darstellung mit Teil-Verplanung Schachtgerüst Zeche Monopol, Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum

Dabei wurde vorgeschlagen, die statisch unkritischen Bereiche der Gerüstkonstruktion bis ca. 32,0 m Höhe in den Arbeitsbereichen umlaufend verkleidet auszuführen und die statisch „kritischen Bereiche“ – also oberhalb von 32,0 m Höhe – teilverkleidet auszuführen, um die resultierenden Windlasten und somit die Gerüst- und Gründungsbelastung zu reduzieren.

Im Zuge der laufenden Abstimmung mit dem Bauherrn wurde bei fortlaufender Untersuchung des Ist-Zustandes des Bestandbauwerkes dieser Ansatz aus zeitlichen und logistischen Gründen verworfen und es musste eine auf das Wesentliche reduzierte Verplanung der Arbeitsbereiche ausgeführt werden.

Infolgedessen und unter Beachtung der Bauwerksgeometrie als auch der örtlichen Umgebungsbebauung musste sowohl die Gründung als auch die Gerüstkonstruktion so weit ertüchtigt bzw. verstärkt werden, um die aus Eigengewicht, Nutzlast, Imperfektionen und Wind entstehend Lasten in vertikaler und horizontaler Richtung aufnehmen zu können. Hier waren alle Mitwirkenden im Zuge der Planung und des Entwurfes massiv gefordert. So musste z. B. der Boden durch den Bauherrn auf Tragfähigkeit im Rahmen eines Bodengutachtens untersucht bzw. ertüchtigt werden, um die enormen Vertikallasten aus der Gerüstkonstruktion überhaupt aufnehmen zu können.

Ergänzend dazu war eine detaillierte Planung der Gerüstkonstruktion mit Angabe der von der Gründung aufzunehmenden Lasten mit Abstimmung der notwendigen Lastverteilung erforderlich.

Grundriss/Verlegplan Gründung Schachtgerüst Zeche Monopol, Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum

Dass bei Vertikalstiellasten von bis zu 195 kN die üblichen Holzunterleger nicht ausreichend sind, sollte jedem Gerüstbauer klar sein. Es wurden in Abhängigkeit von den jeweils ermittelten Vertikalstiellasten Lastverteilplatten in Betonbauweise und/oder bewehrte Kunststoffunterleger aus dem Kranbereich eingesetzt, um die vom Bodengutachter vorgegebene Bodenpressung einzuhalten.

Lastverteilplatten in Betonbauweise Schachtgerüst Zeche Monopol, Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum

Hinzu kommt, dass unter Berücksichtigung der statisch-konstruktiven Notwendigkeiten das Gerüst so konzipiert sein musste, dass alle zur Bearbeitung erforderlichen Zugänge und Arbeitsräume innerhalb des Gerüstes direkt oder indirekt erreicht werden konnten. Das führte dazu, dass jede einzelne Scheibe der Gerüstkonstruktion dargestellt werden musste, um die Nutzbarkeit sowohl der Gerüstkonstruktion als auch der örtlichen Zugänglichkeit durch „Umläufe“ darzustellen bzw. zu erreichen.

Das Ergebnis ist ein in den Arbeitsbereichen verplantes Raumgerüst, das vom Gerüstaufsteller bereitgestellt, vom Bauherrn und vom Prüfingenieur freigegeben und durch den Gerüstbenutzer zur Durchführung der notwendigen Sanierungsarbeiten genutzt werden kann bzw. konnte.

Autor: Dipl.-Ing. Heiko Tomshöfer


Dieser Artikel ist erschienen im:

Der Gerüstbauer

  • Erscheinungsweise

    6 x pro Jahr

  • Laufzeit

    12 Monate

  • Preis
    inkl. MwSt. zzgl. Versand
    35.70 €