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ARBEITSSICHERHEIT

Muskel-Skelett-Belastungen im Gerüstbau

Im Gerüstbau ist die Muskel-Skelett-Belastung ein bedeutender Faktor für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer*innen. Die richtige Handhabung von Lasten und die Beachtung der Vorschriften der Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) sowie der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS 2121-1) sind daher von zentraler Bedeutung. Dieser Fachartikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte der Muskel-Skelett-Belastung im Gerüstbau unter Berücksichtigung der genannten Vorschriften.

Schaut man sich die Gesamtsituation in der Arbeitswelt in Bezug auf die Muskel-Skelett-Erkrankungen und des Bindegewebes an, machen diese rund 18,2 % aller Arbeitsunfähigkeitstage aus. Der Brutto-Wertschöpfungsverlust wird auf ca. 21,5 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt (BAuA 2023).

Quelle: Ingenieure Tomshöfer und Partner, in Anlehnung an den Suga Report 2022 (BAuA 2022)

Die Arbeit im Gerüstbau erfordert oft das Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten. Dies kann zu erheblicher Belastung des Muskel-Skelett-Systems führen, insbesondere wenn ergonomische Prinzipien nicht beachtet werden.

Die Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) legt diesbezüglich klare Richtlinien fest, um die Gesundheit der Arbeitnehmer*innen zu schützen und Unfälle zu vermeiden. Gemäß dieser Verordnung sind Arbeitgeber*innen dazu verpflichtet, eine manuelle Handhabung von Lasten zu minimieren und wenn möglich zu automatisieren.

Falls manuelles Heben unvermeidbar ist, müssen Arbeitgeber*innen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter*innen entsprechend geschult sind und ergonomische Arbeitsweisen anwenden. Dies beinhaltet das Tragen von Lasten in der Nähe des Körpers, das Vermeiden von Drehbewegungen während des Hebens sowie das Einsetzen von Hilfsmitteln wie Hebehilfen oder geeigneten Werkzeugen.

Die TRBS 2121-1 ergänzt die Vorgaben der LasthandhabV mit detaillierten Anweisungen zur ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen und zur richtigen Handhabung von Lasten.

Bei Gerüsten mit einer Gerüsthöhe (Belaghöhe über Aufstellfläche) von mehr als drei Gerüstlagen oder bei einer Längenabwicklung des Gerüstes bis 10 m, mit einer Gerüsthöhe von mehr als 14 m, ist die Verwendung eines geeigneten Arbeitsmittels zum Heben von Lasten für den Vertikaltransport der Gerüstbauteile zwingend vorgeschrieben.

Ausgenommen von dieser Regelung sind „Einfamilienhäuser“ bzw. Eigenheime gemäß Gebäudeklasse 1a und 2 der Musterbauordnung (Gebäudehöhe bis 7 m, und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m²).

Diese Vorgaben stellen den/die Gerüstbauer*in bei der Planung, sowie bei der Durchführung seiner/ihrer Arbeiten vor große Herausforderungen und erhöhen somit auch automatisch die Anforderungen in Bezug auf das technisch Grundverständnis für moderne Arbeitsmittel an das ausführende Personal.

Dieses technische Grundverständnis, falls nicht bereits vorhanden, kann in der Regel nur durch kontinuierliche Weiterbildung und Schulung erlangt werden.

Für die Personalentwicklung sowie für die Arbeitsvorbereitung im Gerüstbau sollten demnach vor Beginn der Arbeiten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Die Mitarbeiter*innen müssen im Umgang mit Lasten geschult sein. Die Schulungen sollten Aspekte, wie das richtige Heben und Tragen von Lasten, die Nutzung von Hilfsmitteln, sowie die Erkennung von Gefahrensituationen abdecken.
  • Arbeitsplätze müssen so gestaltet werden, dass eine ergonomische Arbeitsweise möglich ist. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise Lasten in einer Höhe platziert werden sollten, die ein einfaches und sicheres Greifen und Heben ermöglicht. Arbeitsflächen sollten zudem ausreichend dimensioniert sein, um das Stolpern und Stürzen zu vermeiden.
  • Der Einsatz von mechanischen Hebehilfen, wie zum Beispiel Seilwinden, Aufzügen oder Kränen sollte bei der Planung berücksichtigt werden. Diese Hilfsmittel reduzieren nicht nur die Muskel-Skelett-Belastung, sondern erhöhen auch die Effizienz und Sicherheit der Arbeiten.

Um eine Einschätzung der tatsächlichen Belastungen für die Arbeitnehmer*innen vornehmen zu können, ist eine umfassende Gefährdungsbeurteilung zur Muskel-Skelett-Belastung zwingend notwendig.

Hilfestellungen zum Thema „Muskel-Skelett-Belastungen“ bieten den Arbeitgeber*innen u. a. auch die für ihren Betrieb zuständigen Aufsichtspersonen und Präventionsberater*innen der BG BAU.

Bitte beachten Sie:
Nützliche Informationen zu diesem Thema finden Sie in der DGUV Information 208-033 „Muskel-Skelett-Belastungen erkennen und beurteilen“, im GDA – Fachdatenbogen GDA Muskel-Skelett-Belastungen (MSB) und im BAuA-Basis Check zum Erkennen körperlicher Belastung am Arbeitsplatz.

Eine weitere Maßnahme ist die Inanspruchnahme der Angebotsvorsorgeuntersuchung G 46 (Belastungen des Muskel-Skelettsystems). Diese Untersuchung muss vom Arbeitgeber bzw. von der Arbeitgeberin bei Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen angeboten werden, die mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System verbunden sind.

In der Regel wird diese durchgeführt, wenn die Gefährdungsbeurteilung dies erfordert. Sie soll Anhaltspunkte für mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung durch starke Rückenbelastungen geben und kann beispielweise durch den Arbeitsmedizinischen Dienst der BG BAU durchgeführt werden.

Quelle: Ingenieure Tomshöfer und Partner, Auszug aus der Allgemeinen Gefährdungsbeurteilung

Fazit
Die Muskel-Skelett-Belastung im Gerüstbau ist ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko für die Arbeitnehmer*innen, welches im schlimmsten Fall zum Verlust der Arbeitskraft führen kann. Dies wiederum hat direkte Auswirkungen auf die Produktivität und somit auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen.

Jedoch besteht durch die Einhaltung der Lastenhandhabungsverordnung, sowie den technischen Vorgaben in der TRBS 2121-1 die Möglichkeit, die Gesundheitsrisiken für die Beschäftigten deutlich zu reduzieren. Arbeitgeber*innen sind dazu angehalten, Arbeitsplätze ergonomisch zu gestalten und menschengerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen, den Einsatz von Hilfsmitteln zu fördern und ihre Mitarbeiter*innen umfassend zu schulen.

Nur so kann eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung im Gerüstbau gewährleistet werden. Unter Berücksichtigung des demographischen Wandels und den bereits heute anhaltenden Fachkräftemangel, bietet die aus den Vorgaben heraus resultierende Weiterentwicklung der Arbeitsprozesse auch eine Chance dem generellen Personalproblem entgegenzuwirken und das Gerüstbauerhandwerk auch für kommende Generationen attraktiv zu gestalten.

Autor: Nils Bücker, Tomshöfer + Partner


Dieser Artikel ist erschienen im:

Der Gerüstbauer

  • Erscheinungsweise

    6 x pro Jahr

  • Laufzeit

    12 Monate

  • Preis
    inkl. MwSt. zzgl. Versand
    35.70 €