ARBEITSSICHERHEIT
Berufskrankheiten im Gerüstbau
Der Gerüstbau ist ein unverzichtbarer Teil der Bauwirtschaft. Ob bei Hochhäusern, Brücken oder Renovierungen von Wohnhäusern. Gerüste bieten die notwendige Infrastruktur, um Arbeiten in großen Höhen sicher auszuführen. Dennoch zählt der Gerüstbau zu den gefährlichsten Berufen in der Baubranche. Neben akuten Unfallrisiken bergen die besonderen Arbeitsbedingungen auch Gefahren für die langfristige Gesundheit der Beschäftigten. Berufskrankheiten stellen eine wesentliche Herausforderung dar und können bei mangelnden Schutzmaßnahmen die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten erheblich beeinträchtigen. Dieser Bericht beleuchtet die häufigsten Berufskrankheiten im Gerüstbau, deren Ursachen sowie Präventionsmaßnahmen und rechtliche Rahmenbedingungen.
Eine der häufigsten Ursachen für Berufskrankheiten im Gerüstbau sind die enormen körperlichen Belastungen. Das Heben schwerer Bauteile, Arbeiten in Zwangshaltungen sowie häufige Überkopfarbeiten belasten besonders den Bewegungsapparat. Hinzu kommen noch Belastungen aus Lärm, sowie Belastungen aus UV-Strahlung (Tabelle 1).
Der ständige Transport und die Montage von schweren Gerüstteilen beanspruchen die Rückenmuskulatur sowie die Wirbelsäule erheblich. Typische Erkrankungen sind:
- Bandscheibenvorfälle: Durch das Heben schwerer Lasten kann es zu einer Überlastung der Bandscheiben kommen, was zu akuten Schmerzen und chronischen Schäden führen kann.
- Arthrose: Gelenkverschleiß, insbesondere in Schultern, Knien und Ellenbogen, ist eine häufige Folge der oft unnatürlichen Körperhaltungen und repetitiven Bewegungen.
Auf Baustellen ist Lärm allgegenwärtig. Durch Maschinen, Werkzeuglärm und Bauarbeiten können Geräuschpegel erreicht werden, die über einen längeren Zeitraum zu irreversiblen Hörschäden führen können. Besonders betroffen sind:
- Schwerhörigkeit: Durch anhaltenden Lärm ohne Gehörschutz kann es zu einer schleichenden und oft unbemerkten Schädigung der Hörzellen kommen.
- Tinnitus: Chronisches Ohrensausen oder Pfeifen ist eine häufige Folge von Lärmbelastung und kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Das Arbeiten im Freien bringt langfristige Exposition durch UV-Strahlung mit sich und kann zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen:
- Akute Hautschäden: Sonnenbrand, der zu Zellschäden und Entzündungen führt.
- Chronische Hautschäden: Vorzeitige Hautalterung, Hyperpigmentierung und aktinische Keratosen (Vorstufen von Hautkrebs).
- Hautkrebs: Sowohl schwarzer Hautkrebs (Melanom) als auch weißer Hautkrebs (Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom). Weißer Hautkrebs tritt besonders häufig bei chronisch UV-exponierten Personen auf und kann zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen führen.
Laut des betriebsärztlichen Gesundheitsbericht für Gerüstbauer geben fast alle Gerüstbauer*innen (96,4 % von insgesamt 3.029 befragten Gerüstbauer*innen) aus verschiedenen Unternehmen, unabhängig von Dauer und Häufigkeit, Belastungen durch schwere Lasten als Hauptgrund für ihre Beschwerden an (Tabelle 2 und 3).
82 % der Gerüstbauer*innen geben zudem Belastungen durch Lärm und 81 % durch körperliche Schwerarbeit an.
Zudem führt das Arbeiten mit Werkzeugen, das Bohren oder das Verschrauben oft zu monotonen Bewegungsabläufen, die eine Überlastung der Sehnen und Sehnenscheiden hervorrufen. Insbesondere die Handgelenke sind hiervon betroffen, was zu langwierigen Entzündungen und Einschränkungen der Greifkraft führen kann.
Wirft man einen Blick auf die am häufigsten gemeldeten Verdachtsfälle von Berufskrankheiten und vergleicht diese mit den Ergebnissen der durch den AMD (Arbeitsmedizinischer Dienst) der BG BAU durchgeführten Befragungen der Beschäftigten, stellt man fest, dass diese größtenteils übereinstimmen. Hinzu kommt hier noch die Gefährdung durch UV-Strahlung und die daraus resultierende Berufserkrankung BK 5103 Plattenepithelkarzinom (Hautkrebs).
Die Prävention von Berufskrankheiten im Gerüstbau setzt einen vielschichtigen Ansatz voraus. Neben organisatorischen Maßnahmen wie z. B. die klassische Gefährdungsbeurteilung oder eine Belastungsmatrix (Tabelle 4) sind Schulungen und die Bereitstellung geeigneter Schutzkleidung essenziell. Die Bereitstellung von ergonomischen Werkzeugen und Hebehilfen kann dabei unterstützen, die körperliche Belastung zu reduzieren. Auch regelmäßige Pausen und der Wechsel von anstrengenden und leichteren Tätigkeiten tragen zur Entlastung bei. Wetterfeste Arbeitskleidung sowie das regelmäßige Auftragen von Sonnenschutzmitteln können helfen, witterungsbedingten Erkrankungen und Hautkrebs vorzubeugen.
Bitte beachten Sie:
Berufskrankheiten sind in Deutschland durch die Berufsgenossenschaften abgesichert. Diese erkennen anerkannte Berufskrankheiten, darunter auch typische Erkrankungen des Baugewerbes, als solche an und bieten finanzielle Unterstützung sowie Rehabilitationsmaßnahmen an. Der/die Arbeitgeber*in ist verpflichtet, regelmäßig Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen und geeignete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Bei Verletzung dieser Pflichten drohen strafrechtliche Konsequenzen. Zudem müssen Unternehmen gemäß der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sicherstellen, dass Arbeitsplätze sicher und frei von Gesundheitsgefahren gestaltet sind.
Fazit
Der Gerüstbau ist ein körperlich fordernder Beruf, der viele Risiken für Berufskrankheiten birgt. Vor allem Erkrankungen des Bewegungsapparats, des Hörorgans und Belastungen durch UV-Strahlung stellen erhebliche Gefahren dar. Eine sorgfältige Gefährdungsbeurteilung und der Einsatz geeigneter Schutzmaßnahmen sind essenziell, um die Gesundheit der Beschäftigten langfristig zu schützen. Arbeitgeber*innen sind rechtlich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz gewährleistet werden. Die konsequente Umsetzung von Präventionsmaßnahmen kann das Risiko von Berufskrankheiten im Gerüstbau erheblich reduzieren.
Autor: Nils Bücker, Tomshöfer & Partner
Dieser Artikel ist erschienen im:
Der Gerüstbauer
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