ARBEITSSICHERHEIT
Die arbeitsmedizinische Untersuchung: Angebots- und Pflichtvorsorge im Gerüstbaubetrieb
Unternehmer*innen sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter*innen arbeitsmedizinisch betreuen zu lassen. Für das Gerüstbauhandwerk kommen aufgrund der vielschichtigen Belastungen, resultierend durch die unterschiedlichen Tätigkeiten und Arbeitsumgebungen, gleich mehrere Untersuchungen in Betracht. Um die entsprechenden Untersuchungen herausfiltern zu können, bedarf es einer umfangreichen Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf die auszuführenden Tätigkeiten und auf die vorherrschenden Gefährdungen aus der Arbeitsplatzumgebung. Dieser Artikel beleuchtet die einzelnen Themenfelder der Arbeitsmedizin und gibt einen Hinweis darauf, welche Untersuchungen für das Gerüstbauhandwerk relevant sind.
Grundsätzlich wird im Bereich der arbeitsmedizinischen Untersuchungen in zwei Kategorien unterschieden. Zum einen die arbeitsmedizinische Vorsorge und zum anderen die Eignungsuntersuchung.
Arbeitsmedizinische Vorsorge
Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein Teil der arbeitsmedizinischen Prävention und ist in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) geregelt. Ziel der Verordnung ist es, arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhüten. Zugleich soll sie auch einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit leisten.
Die Arbeitsmedizinische Vorsorge wird folgt unterteilt:
- Pflichtvorsorge
Vor Aufnahme der Tätigkeit, als Voraussetzung für bestimmte Tätigkeiten - Angebotsvorsorge
Muss regelmäßig angeboten werden - Wunschvorsorge
Muss regelmäßig ermöglicht werden, wenn gewünscht - Nachgehende Vorsorge
Muss nach Beendigung der Tätigkeit bei möglichen verzögerten Gesundheitsbeeinträchtigungen angeboten werden
Eignungsuntersuchung
Durch die Eignungsuntersuchung soll festgestellt werden, ob die individuellen Leistungsvoraussetzungen der Beschäftigten in Bezug auf die körperlichen und gesundheitlichen Anforderungen der durchzuführenden Tätigkeiten entsprechen.
Bitte beachten Sie: Sowohl Eignungs- als auch Pflichtvorsorgeuntersuchungen sind vor Aufnahme der Tätigkeit gemäß § 4 Pflichtvorsorge (1) und (2) der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), sowie § 3 (1) Grundpflichten des Arbeitsgebers des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) durchzuführen.
Verstöße gegen die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, wobei die Höhe des Bußgeldes vom jeweiligen Verstoß abhängt. Allgemein können Bußgelder von bis zu 5.000 Euro verhängt werden. Die genaue Höhe des Bußgeldes bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls und liegt im Ermessen der zuständigen Behörden.
Hinweis: Bei vorsätzlichen Verstößen, die das Leben oder die Gesundheit von Beschäftigten gefährden, kann dies gemäß § 10 (2) der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) in Verbindung mit § 26 (2) des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) als Straftat geahndet werden (Tabelle 1).
Der/die Unternehmer*in ist gemäß § 7 (2) „Befähigung für Tätigkeiten“ der DGUV Vorschrift 1 Grundsätze der Prävention dazu verpflichtet, geeignetes Personal für die anfallenden Tätigkeiten auszuwählen. Dies stellt aufgrund der Komplexität des Gerüstbauhandwerks alle beteiligten regelmäßig vor Herausforderungen. Aus diesem Umstand heraus, ergibt sich zwangsläufig Handlungsbedarf in Bezug auf die arbeitsmedizinische Betreuung, was sich aufgrund rückläufiger Verfügbarkeit von Arbeitsmediziner*innen als zunehmend schwierig erweist. Umso mehr bedarf es hier einer entsprechenden Vorplanung bzw. Vorlaufzeit, denn nicht alle Untersuchungen lassen sich über den Arbeitsmedizinischen Dienst der BG BAU abbilden. In diesem Fall ist der/die Unternehmer*in gezwungen, sich nach alternativen Anbietern umzusehen.
Der angekündigte Wegfall von Eignungsuntersuchungen im Angebot des ASD der BG BAU zum Jahreswechsel hin, sorgte zusätzlich noch für eine Verunsicherung in der Gerüstbaubranche. Eine mögliche Erklärung für diese Umstrukturierung begründet sich wohlmöglich aus dem Umstand, dass der AMD der BG BAU seine Aufgaben grundsätzlich auf Arbeitsmedizinische Vorsorge und präventiven Gesundheitsschutz ausgerichtet hat. Dieses Dienstleistungsportfolio ist im Gegensatz zur Eignungsuntersuchung über die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) geregelt und somit begründet.
Im August letzten Jahres wurde seitens der Gesetzlichen Unfallversicherung eine neue Empfehlung zur Arbeitsmedizinischen Betreuung herausgegeben. Die wesentliche Änderung bestand in der Abänderung der G-Nummern in Kurzbezeichnungen. Einige Empfehlungen werden somit als Vorsorge und als Eignungsuntersuchung ausgewiesen. Ein Beispiel hierfür ist z. B. die G26 „Atemschutzgeräte“. Diese wird nun künftig als „Atemschutzgeräte (Vorsorge)“ E ASG und einmal als „Atemschutzgeräte (Eignung)“ E ASG (Eignung) geführt.
Ob diese Untersuchung noch beim AMD der BG BAU durchgeführt werden kann, hängt von der zuständigen Dienststelle des AMD ab und muss gegebenenfalls im Einzelfall geprüft werden.
Welche arbeitsmedizinischen Untersuchungen konkret durchgeführt werden müssen, ist vom Leistungsportfolio der einzelnen Betriebe abhängig und muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit ermittelt werden.
In der Regel stechen dabei folgende Tätigkeiten hervor, bei denen eine Eignungsuntersuchung empfehlenswert ist:
- Arbeiten mit Absturzgefahr
- Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten
- Atemschutzgeräte
- Überdruck (Arbeiten in Druckluft und Taucharbeiten)
In der Tabelle 2 sind weitere DGUV Empfehlungen aufgelistet, die für einen klassischen Gerüstbaubetrieb in Frage kommen könnten.
Fazit
Im Gerüstbauhandwerk sind aufgrund der vielseitigen Belastungen und Gefährdungen eine Reihe spezifischer arbeitsmedizinischer Untersuchungen erforderlich. Die Wahl der passenden Untersuchungen muss im Rahmen einer detaillierten Gefährdungsbeurteilung erfolgen, da je nach Tätigkeit und Arbeitsumgebung unterschiedliche Vorsorge- und Eignungsuntersuchungen in Betracht kommen. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit spielt hierbei eine zentrale Rolle. Sie unterstützt den/die Unternehmer*in nicht nur bei der Gefährdungsbeurteilung, sondern auch bei der Auswahl der notwendigen Untersuchungen und der Abstimmung mit Betriebsärzten. Durch eine vorausschauende Planung und eine umfangreiche arbeitsmedizinische Betreuung, kann sichergestellt werden, dass die Gesundheit und somit auch die Leistungsfähigkeit aller Beschäftigten erhalten bleibt, was sich wiederum positiv auf die Produktivität auswirkt.
Autor: Nils Bücker, Tomshöfer & Partner
Dieser Artikel ist erschienen im:

Der Gerüstbauer
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