agbau_02.2023

13 Recht Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz Nachrichten vom Chef müssen in der Freizeit nicht beantwortet werden Viele Arbeitnehmer*innen kennen die Situation: Nach Feierabend geht plötzlich noch eine SMS oder eine E-Mail des/der Arbeitgeber*in ein. Wie ist nun zu reagieren? Sind Arbeitnehmer*innen in ihrer Freizeit verpflichtet, solche Nachrichten zu lesen, zu beantworten oder gar einen Anruf des/der Arbeitgeber*in anzunehmen? Sind Konsequenzen zu erwarten, wenn eine „wichtige“ Nachricht einmal nicht zur Kenntnis genommen wird? Ein aktuelles Urteil des LAG SchleswigHolstein schafft nun Klarheit. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig Holstein befasste sich (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022, Az. 1 Sa 39 öD/22) mit zwei kurzfristigen Dienstplanänderungen für einen Notfallsanitäter. Für den kurzfristigen Einsatz versuchte der beklagte Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer vergeblich außerhalb dessen Arbeitszeit zu erreichen, zweimal telefonisch und per SMS sowie einmal per E-Mail. Die Nachrichten über die Dienstplanänderungen hatte der Arbeitnehmer nicht zur Kenntnis genommen und meldete sich jeweils wie ursprünglich geplant zu seinen Diensten. Das Verhalten des Beschäftigten wurde vom Arbeitgeber als unentschuldigtes Fehlen gewertet. Es folgten zunächst eine Ermahnung und dann eine Abmahnung. Mit Klage vor dem Arbeitsgericht verlangte der Sanitäter unter anderem die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Er trug vor, dass er sein Handy lautlos gestellt habe, weil er sich um seine Kinder habe kümmern müssen. Die von der Beklagten vorgelegten SMS belegten zudem nicht, dass diese angekommen oder gelesen worden seien. Konkret hatte das Gericht nun zu entscheiden, ob der Notfallsanitäter in seiner Freizeit auf eine kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag reagieren musste. Dies bejahte das Arbeitsgericht und wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Im Rahmen der Berufung entschied das LAG jedoch zugunsten des Sanitäters. Mit Kenntnisnahme von Nachrichten ist erst zu Dienstbeginn zu rechnen Laut Urteil des LAG habe der beklagte Arbeitgeber damit rechnen können, dass der Kläger die ihm geschickte SMS erst mit Beginn seines Dienstes zur Kenntnis nimmt. Angeknüpft wird somit an den Zeitpunkt, ab dem Beschäftigte tatsächlich verpflichtet sind, ihrer Arbeit nachzugehen. Erst dann sei auch der Kläger verpflichtet die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Beklagten zu lesen. Ebenso bestehe keine Pflicht des Beschäftigten zur Entgegennahme von Anrufen des Arbeitgebers nach Feierabend oder dazu, sich während seiner Freizeit zu erkundigen, ob sich beispielsweise der Dienstplan geändert hat. Dies stelle auch keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht dar, so das LAG. Dem hier betroffenen Arbeitnehmer war insofern kein treuwidriges Verhalten vorzuwerfen. Die Abmahnung musste aus der Personalakte entfernt werden. Ob eine andere Beurteilung der Rechtslage erforderlich ist, wenn die Mitteilung über die Dienstplanänderung den/die betreffende/n Beschäftigte*n tatsächlich erreicht und

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