Frau insgesamt 15.376,48 Euro an das Bauunternehmen zahlen solle. Für den Ausgang des Verfahrens war dann allein entscheidend, ob dieses Angebot durch die nachfolgende E-Mail wirksam widerrufen worden ist. Gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 BGB setzt dies voraus, dass der Widerruf dem/der Empfänger*in jedenfalls zeitgleich mit der zu widerrufenden Erklärung zugegangen ist. Der BGH stellte erstmals klar, dass jedenfalls in dem Fall, dass eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des/der Empfänger*in abrufbereit zur Verfügung gestellt wird, sie dem/der Empfänger*in in diesem Zeitpunkt zugegangen sei. Denn damit sei die E-Mail so in den Machtbereich des/der Empfänger*in gelangt, dass er/sie diese unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen könne. Bei Geschäftsleuten sei während der üblichen Geschäftszeit außerdem stets mit der Kenntnisnahme unmittelbar nach Eingang der Nachricht in den elektronischen Briefkasten zu rechnen. Ob die E-Mail vom/von der Empfänger*in tatsächlich gelesen worden ist, sei für den Zugang hingegen unerheblich. Für den konkreten Fall bedeutete das, dass der Frau das Vergleichsangebot bereits mit der ersten E-Mail um 9:19 Uhr zugegangen sei, der Widerruf hingegen erst mit der zweiten E-Mail eine halbe Stunde später. Somit wertete das Gericht den Widerruf als verspätet, so dass das Angebot weiterhin wirksam gewesen sei. Indem die Frau anschließend den in der ersten E-Mail geforderten Geldbetrag an das Unternehmen gezahlt habe, habe sie das Vergleichsangebot konkludent angenommen. Der damit vereinbarte Vergleich habe daher zur Folge, dass dem Unternehmen keine über diesen Betrag hinausgehenden Forderung zustehe, so der BGH. Trotz BGH-Urteil: Wichtige Rechtsfragen weiterhin offen Mit seinem aktuellen Urteil hat der BGH nun endgültig klargestellt, dass es für den Zugang von E-Mails im unternehmerischen Bereich auf die grundsätzliche Abrufmöglichkeit und nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den/die Empfänger*in ankommt. Wichtig ist jedoch, dass sich die Entscheidung ausdrücklich nur auf den E-Mail-Versand im unternehmerischen Geschäftsverkehr bezieht und Privatpersonen daher nicht betrifft. Hier erwartete die Rechtsprechung nicht, dass diese Ihre E-Mails mehrmals täglich abrufen, so dass E-Mails unter Privatpersonen regelmäßig erst dann zugegangen sind, wenn der Empfänger die Nachricht tatsächlich abgerufen hat. Festzuhalten bleibt jedoch, dass mit dem Urteil nicht alle Rechtsfragen gelöst sind. So hat der BGH beispielsweise ausdrücklich die Frage offengelassen, wann eine E-Mail außerhalb der üblichen Geschäftszeiten (zum Beispiel sonntags oder an einem Feiertag) zugeht. Denkbar wäre insofern sowohl ein Zugang im Zeitpunkt des Eingangs auf dem Mailserver als auch erst am nächsten Werktag. Es besteht also weiterhin Klärungsbedarf. → Weitere Informationen WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte Partnerschaft mbB Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29 • D-50672 Köln Tel. +49 0221 951563-0 info@wbs-law.de • www.wbs-law.de 15 Recht
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