18 06 / 2024 Hinzukommt, dass ein professionelles, den gesetzlichen Vorgaben entsprechendes Verhalten immer auch eine positive Außenwirkung mit sich bringt. Ein gutes Jahrzehnt nach Inkrafttreten des gesetzlichen Verbraucherwiderrufsrechts sollte es für Betriebe im Interesse des Außenauftritts Standard sein, die eigenen Angebote und Vertragsunterlagen mit einer Widerrufsbelehrung für Verbraucher*innen zu versehen. Wie sieht eine wirksame Widerrufsbelehrung aus? So kompliziert und ärgerlich die Belehrungspflicht angesichts der ohnehin schon zu beachtenden Fülle an Unternehmerpflichten empfunden werden mag, so simpel ist ihre Umsetzung. Der Gesetzgeber gibt in §§ 356 Abs. 3 S. 1 BGB, 246b EGBGB genau vor, welche Information Unternehmer*innen ihren Vertragspartner*innen im Falle eines Fernabsatz- und Haustürvertrages zur Verfügung zu stellen und wie sie diese über ihr Widerrufsrecht zu belehren haben. Betriebe können hierbei auf gängige Formulare zurückgreifen, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und die eine wirksame Widerrufsbelehrung sowie eine Muster-Widerrufserklärung zur Verwendung durch die Verbraucher*innen im Falle des Widerrufs enthalten. Achtung: Speziell bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen („Haustürgeschäften“) muss die Widerrufsbelehrung dem/der Verbraucher*in in Papierform übergeben werden. Das gilt also insbesondere für die Situation des spontanen Vertragsschlusses auf der Baustelle oder am Gartenzaun. Bei Verträgen, die im Fernabsatz, also per E-Mail oder Telefon geschlossen werden, reicht hingegen die Übermittlung der Widerrufsbelehrung per E-Mail. Lösungen bei unterbliebener Widerrufsbelehrung? Abschließend stellt sich die Frage, was betroffene Unternehmer*innen tun können, wenn im Widerrufsfall keine ordnungsgemäße Belehrung erteilt worden ist und der/die Verbraucher*in nach bereits ausgeführter Leistung den Wertersatz verweigert. Wie oben bereits erwähnt, kann sich der/die Verbraucher*in auf die Grundsätze des Verbraucherschutzes berufen, was ihm/ihr grundsätzlich eine starke Rechtsposition verleiht: Das Unterlassen der Widerrufsbelehrung führt grundsätzlich zum Wegfall des Wertersatzes. In der Rechtsprechung zum noch vergleichsweise jungen BGB-Verbraucherschutzrecht zeigen sich jedoch Tendenzen, unter welchen Bedingungen Ausnahmen zu diesen Grundsätzen angenommen werden können. So hat das Kammergericht (Urteil v. 16.11.2021, Az. 21 U 41/21) entschieden, dass der Entfall des Wertersatzes infolge einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben ausnahmsweise unzulässig sein kann, wenn der Handwerksbetrieb eine mangelfreie Leistung erbracht hat, welche von dem/der Verbraucher*in auch abgenommen wurde und die Widerrufsbelehrung unter Berücksichtigung der genauen Umstände lediglich fahrlässig unterlassen wurde. Ein ähnlicher Fall liegt derzeit im Rahmen eines Vorabentscheidungsgesuchs des Kammergerichts beim Europäischen Gerichtshof. Es bleibt abzuwarten, ob die aktuelle, grundsatzbezogene Gesetzeslage durch den Europäischen Gerichtshof eine Korrektur erhält. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen ein Festhalten am Prinzip vom Entfall des Wertersatzes gänzlich unfair und unzumutbar erscheint. Liegen diese Voraussetzungen vor, sollte im Streitfall alles dafür unternommen werden, den Wertersatzanspruch des Handwerksbetriebs rechtlich durchzusetzen, etwa unter Orientierung an der o. g. Entscheidung des Kammergerichts. Verlässliche Rechtssicherheit erhalten Betriebe jedoch angesichts der aktuellen Gesetzlage nur über eine ordnungsgemäß erteilte Widerrufsbelehrung, weshalb diese stets die erste Maßnahme darstellen sollte. Ein vertraglicher Ausschluss der Widerrufsrechte ist weder in Form von Individualvereinbarungen noch im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen möglich. Es handelt sich nämlich um zwingendes Recht, dessen Geltung die Parteien nicht von vornherein ausschließen können (OLG München, Beschluss v. 24.03.2021, Az. 28 U 7186/20 Bau). RECHT Kanzlei Barth Am Kabellager 11 • D-51063 Köln Tel. +49 221 650 877 30 info@barth-kanzlei.de • www.barth-kanzlei.de Rechtsanwalt Tobias Barth betreibt in Köln eine Kanzlei, die auf privates Baurecht spezialisiert ist. Er war zuvor als Syndikusrechtsanwalt der Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk tätig. Neben der außergerichtlichen und gerichtlichen Beratung bietet die Kanzlei Barth Gerüstbauunternehmen auch Maßnahmen der betrieblichen Optimierung, beispielsweise in den Bereichen AGB, Arbeitsschutz und Nachunternehmereinsatz.
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