GB_06.2024

16 06 / 2024 Vermeidbare Schwachstelle im Vertragsrecht Die unterlassene Widerrufsbelehrung bei Verbraucherverträgen Bei Abschluss von Gerüstbauverträgen steht Verbraucher*innen ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, über welches sie beim Vertragsschluss belehrt werden müssen. Bleibt diese Belehrung aus, kann das zu schwerwiegenden Folgen für den/die Gerüstbauer*in führen, bis hin zum kompletten Entfall der Vergütung für erbrachte Leistungen. Trotzdem wird das Verbraucherwiderrufsrecht in der Praxis nach wie eher stiefmütterlich behandelt, obwohl eine Risikoabsicherung nur wenige Schritte erfordert. Eine Übersicht und Handlungsempfehlung. Das BGB sieht vor, dass Verbraucher*innen bei Verträgen, die im Rahmen des Fernabsatzes oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, ein Widerrufsrecht zusteht, §§ 312 ff, 355 ff BGB. Das gilt also beispielsweise auch für Gerüstbauverträge, die per E-Mail, Telefon oder vor Ort auf der Baustelle geschlossen werden. Aufgrund des Widerrufsrechts hat der/die Verbraucher*in dann die Möglichkeit, sich ohne bestimmten Grund vom Vertrag zu lösen. Der/die Unternehmer*in ist verpflichtet, beim Vertragsschluss auf bestimmte Weise über dieses Widerrufsrecht zu informieren und eine spezielle Widerrufsbelehrung zu erteilen. Das BGB-Verbraucherwiderrufsrecht hat seinen Ursprung im EU-Verbraucherrecht. Es wurde 2014 eingeführt, um die Rechtsposition von Verbraucher*innen im Falle von Geschäften zu stärken, bei denen sie typischerweise nicht in der Lage sind, ihre Bestellung wie beim konventionellen Ladenkauf eingehend zu prüfen. Das trifft insbesondere auf Fälle zu, bei denen der Vertragsschluss ausschließlich übers Internet oder Telefon erfolgt oder eine gewisse „Überrumpelungssituation“ besteht, wie beim Abschluss an der Haustür oder auf der Baustelle. Die Grundvoraussetzungen für das Bestehen eines Verbrauchervertrages und somit eines Widerrufsrechts sind, dass • der Vertrag zwischen einem/einer Unternehmer*in und einem/einer Verbraucher*in geschlossen wird. Verbraucher*in ist jede natürliche Person, die den Vertrag zu nichtgewerblichen Zwecken abschließt. Das trifft auf den Abschluss eines Gerüstbauvertrages zu, wenn er für rein persönliche Zwecke der betroffenen Person abgeschlossen wird, etwa zur Errichtung oder Sanierung des eigenen Wohnhauses oder eines aus Gründen der Altersvorsorge vermieteten Gebäudes. • es sich bei dem Gerüstbauvertrag um einen Fernabsatzvertrag (= Vertragsschluss ausschließlich über E-Mail oder Telefon) oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag (= „Haustürgeschäft“) handelt. Dies dürfte auch im Falle des Vertragsschlusses mit Verbraucher*innen für die meisten Gerüstbauverträge gelten, weil sie in der Regel übers Internet oder Telefon, vereinzelt auch auf der Baustelle, geschlossen werden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, steht dem/der Verbraucher*in grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Die 14-tägige Frist beginnt grundsätzlich mit dem Vertragsschluss, frühestens jedoch ab dem Zeitpunkt, zu dem der/die Gerüstbauer*in mit der Ausführung der Leistung beginnt. Macht der/die Verbraucher*in von dem Widerrufsrecht Gebrauch, steht ihm/ihr die Rückerstattung bereits geleisteter Zahlungen zu. Der/die Gerüstbauer*in erhält als Ausgleich einen Wertersatz für die bereits erbrachte Gerüstbauleistung. Der Wertersatzanspruch bemisst sich am Anteil der erbrachten Leistung und der Höhe der vereinbarten Gesamtvergütung. Doch Achtung, genau an dieser Stelle liegt die riskante Falle für den/die Unternehmer*in: Auf die Widerrufsfrist vom 14 Tagen ist der/die Verbraucher*in nur dann beschränkt, wenn zuvor eine Belehrung über das Widerrufsrecht erteilt wurde. Ist diese Belehrung ausgeblieben, führt das dazu, dass der/die Verbraucher*in den Vertrag für eine verlängerte Dauer von bis zu 12 Monaten und 14 Tagen widerrufen kann. In der Praxis geht es dabei oft um Fälle, in denen schon in erheblichem Umfang Gerüstbauleistungen ausgeführt wurden. Die weitaus gravierendere Folge der unterlassenen Belehrung ist aber, dass der/die Unternehmer*in nicht nur einem mehr als 12-monatigen Widerrufsrisiko ausgesetzt ist, sondern auch jeglichen Anspruch auf Wertersatz verliert! Im Klartext heißt das: Wurde versäumt, ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht zu belehren, steht dem/der Verbraucher*in für die Dauer von 12 Monaten und 14 Tagen ab Beginn der Leistung ein Widerrufsrecht und somit Rückzahlungsanspruch zu, ohne dass der/die Unternehmer*in hierfür einen Ausgleich erhält. Das RECHT

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