GB_05.2023

16 05 / 2023 Darf das Arbeitszeugnis verschlechtert werden? Geht es um den Erhalt eines Arbeitszeugnisses, streiten Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen häufig über die sogenannte Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel, die in der Regel am Schluss des Zeugnisses steht. Ähnlich lag der Fall einer ehemaligen Assistentin der Geschäftsführung – allerdings monierte sie hier nicht die Formulierung der Dankesformel selbst. Weil sie mit mehreren anderen Passagen in ihrem Arbeitszeugnis unzufrieden war, bat sie ihre Arbeitgeberin mehrmals um Korrektur. In der Folge war die Arbeitgeberin so genervt, dass sie die Dankesformel im Zeugnis kurzerhand strich. Das BAG entschied darüber, ob ein solches Vorgehen zulässig ist. Vielleicht kennen es manche: Man fordert ein Arbeitszeugnis bei seinem/seiner ehemaligen Arbeitgeber*in an und am Ende liest sich alles nicht so, wie man es sich eigentlich vorgestellt hatte. Von unglücklichen Formulierungen über Tippfehler ist leider alles dabei. Möglicherweise fehlt sogar eine Dankesformel. Bereits im Januar 2022 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass ein/e Arbeitnehmer*in von seinem/ihrem Arbeitgeber*in nicht verlangen kann, dass sein/ihr Zeugnis eine Bedauerns-, Dankes- und Wunschformel enthält und bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung (Urt. v. 25.01.2022, Az. 9 AZR 146/21). Enthält das Arbeitszeugnis jedoch zunächst eine solche Dankesformel, darf der/die Arbeitgeber*in diese nicht aus erzieherischen Gründen wieder aus dem Zeugnis streichen, nur weil der/die ehemalige Mitarbeiter*in das Zeugnis mehrfach hat verbessern lassen. Mit der Weigerung, das Zeugnis in einem solchen Fall mit einer Dankesformel zu versehen, verstoße der/die Arbeitgeber*in gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot (Urt. v. 06.06.2023, Az. 9 AZR 272/22). Im vorliegenden Fall beschäftigte die Arbeitgeberin die betroffene Mitarbeiterin vom 15. August 2017 bis zum 28. Februar 2021 zunächst als „Persönliche Assistentin der Geschäftsführung“ und zuletzt als „Managerin of Administration and Central Services“. Im März 2021 erteilte sie der Mitarbeiterin ein Arbeitszeugnis mit Datum vom 28. Februar 2021. Infolgedessen bat die Mitarbeiterin mehrmals um Korrektur des Zeugnisses. Insgesamt musste die Arbeitgeberin drei Versionen erstellen. Nachdem die Arbeitgeberin die Änderungswünsche jeweils berücksichtigt hatte, war die Dankesformel, im Vergleich zu den vorherigen Versionen, in der letzten Version jedoch nicht mehr enthalten. Nachdem sich die Arbeitgeberin weigerte das dritte Zeugnis entsprechend zu korrigieren, landete der Entwurf schließlich vor Gericht. Das Arbeitsgericht (ArbG) Braunschweig hat der Klage der Mitarbeiterin stattgegeben (Urt. v. 03.12.2021, Az. 4 Ca 376/21). Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat die Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen (Urt. v. 12.07.2022, Az. 10 Sa 1217/21). Mit der Revision vor dem BAG verfolgte die Arbeitgeberin ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter. Arbeitgeberin argumentiert mit Änderung ihres „subjektiven Empfindens“ Die Mitarbeiterin vertrat die Auffassung, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihr ein Arbeitszeugnis auszustellen, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen erteilte Dankes- und Wunschformel enthalte. Mit der Erteilung des ersten und zweiten Arbeitszeugnisses habe sie sich diesbezüglich gebunden. Das sah die Arbeitgeberin jedoch anders. Sie beantragte die Abweisung der Klage mit der Begründung, das Maßregelungsverbot aus § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) binde den/die Arbeitgeber*in lediglich im laufenden Arbeitsverhältnis und gelte nicht mehr für Sachverhalte nach dessen Beendigung. Die Arbeitgeberin begründete weiter, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel habe, weil darin lediglich subjektive Empfindungen zum Ausdruck kämen. Daher könne sie diese auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht verlangen. Außerdem berief sich die Arbeitgeberin auf den Grundsatz der Zeugniswahrheit. Dieser verbiete es ihr, eine solche Schlussformel weiter zu verwenden, wenn sich „ihr subjektives Empfinden“ nach der Erteilung des Zeugnisses geändert habe. Kein Anspruch auf Schlussformel Nach § 109 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) hat der/die Arbeitnehmer*in bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Mindestangaben sind solche zu Art und Dauer der Tätigkeit. Für ein sogenanntes qualifiziertes Arbeitszeugnis kann der/die Arbeitnehmer*in verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken. Informationen darüber, ob das Zeugnis auch eine Schlussformel enthalten muss, sind dem Wortlaut des § 109 GewO jedoch nicht zu entnehmen. Trotzdem ist der Gebrauch einer Schlussformel heute übliche Praxis. Dies ließ wiederum viele Jahre die Frage offen, ob ein Anspruch des/ der Arbeitnehmer*in auf eine Schlussformel tatsächlich gegeben ist. Zweck eines Zeugnisses ist das berufliche Fortkommen des/der Arbeitnehmer*in. Schlussformeln spielen hierbei eine besondere Rolle, denn die letzten Sätze eines Zeugnisses beeinflussen bei RECHT

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